Neue Strategie der Kommission gegen Antisemitismus

Okt 7, 2021 | Parlamentarische Anfragen

Die Kommission hat am 5. Oktober 2021 eine Strategie gegen Antisemitismus vorgestellt. In der Pressemitteilung wird eine Umfrage zitiert, laut der 38 Prozent der Juden in der EU aufgrund der Bedrohungslage eine Auswanderung in Betracht ziehen. Die polizeiliche Kriminalstatistik in Deutschland von 2018 ordnete einen Großteil der Fälle (253 von 324) Rechtsextremisten zu. Doch laut einer Umfrage unter Juden in Deutschland, die Opfer von antisemitischen Übergriffen geworden sind, verorten diese 62 Prozent der Beleidigungen und 81 Prozent der körperlichen Angriffe bei muslimischen Tätern[1]. Kritik gibt es daher an der Zuordnung von antisemitischen Straftaten durch die Polizei auf Vorgabe des Innenministeriums, die nicht nur pauschal antisemitische Straftaten bei Rechtsextremisten verortet[2], sondern sogar den „Hitlergruß“ eines Afghanen als Straftat von rechts einordnete[3].

1. Warum fehlt in der Strategie jeglicher Hinweis auf die Täter?

2. Inwiefern gedenkt die Kommission der Tatsache Rechnung zu tragen, dass ein Großteil der antisemitisch motivierten Angriffe von Muslimen ausgeht?

3. Gedenkt die Kommission ihre Migrationspolitik, in deren Zuge insbesondere Migranten aus muslimisch geprägten Ländern mit einer latent antisemitischen Einstellung[4] in die EU einwandern, zu überdenken und die Zuwanderung aus diesen Ländern zu stoppen, um jüdisches Leben in der EU zu schützen?

[1] https://www.juedische-allgemeine.de/politik/kritik-an-polizeistatistik/

[2] https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/antisemitismus-statistik-verzerrtes-bild-der-wirklichkeit-17327198.html?GEPC=s3

[3] https://twitter.com/polizeimuenchen/status/1051743833355165696?lang=de

[4] https://global100.adl.org/map/meast

Antwort von Vizepräsident Margaritis Schinas im Namen der Europäischen Kommission

17.2.2022

Entsprechend der Definition des Begriffs „Antisemitismus“ der Internationalen Allianz für Holocaust-Gedenken[1] sieht die Kommission alle Formen von Antisemitismus als gleichermaßen schädlich an. In der Strategie der EU zur Bekämpfung von Antisemitismus und zur Förderung des jüdischen Lebens heißt es ausdrücklich, dass sich zeitgenössischer Antisemitismus in radikalen Gruppen und Randgruppen findet, die Rechtsextremismus, Linksextremismus und islamistischen Extremismus vertreten. Er kann sich hinter Antizionismus verbergen, findet sich aber auch mitten in der Gesellschaft[2].

Laut der Erhebung der Agentur für Grundrechte aus dem Jahr 2018[3] gaben die Befragten bei der Beschreibung der Täter des schwerwiegendsten Vorfalls antisemitischer Belästigungen, mit dem sie konfrontiert waren, in 31 % der Fälle an, dass ihnen die Person unbekannt war; 30 % der Fälle betrafen Personen mit extremistischen muslimischen Ansichten, 21 % Personen mit einer linksextremen und 13 % Personen mit einer rechtsextremen politischen Einstellung. In der Strategie der EU zur Bekämpfung von Antisemitismus und zur Förderung des jüdischen Lebens hat sich die Kommission verpflichtet, eine EU-weite Erhebung zu antisemitischen Vorurteilen zu finanzieren und eine Vorreiterrolle bei der Erhebung vergleichbarer Daten über antisemitische Erfahrungen und Wahrnehmungen zu übernehmen. Ferner wird die FRA die Mitgliedstaaten bei der Verbesserung und Angleichung ihrer Erhebung von Daten über Hasskriminalität, einschließlich Antisemitismus, unterstützen.

Bei guter Steuerung kann Migration zu Wachstum, Innovation und sozialer Dynamik beitragen. Mit ihren Vorschlägen im Rahmen des neuen Migrations‐ und Asylpakets[4] hat die Kommission einen Rahmen für eine ausgewogene, umfassende und gemeinsame Migrationspolitik geschaffen. Ein Kernelement dieses Konzeptes ist eine erfolgreiche Integrationspolitik, die unter anderem die Achtung der gemeinsamen europäischen Rechte und Werte voraussetzt. Zu diesem Zweck hat die Kommission einen neuen umfassenden Aktionsplan für Integration und Inklusion für den Zeitraum 2021-2027[5] vorgelegt .

[1] Handbuch für die praktische Anwendung der IHRA-Arbeitsdefinition von Antisemitismus: https://op.europa.eu/de/publication-detail/-/publication/d3006107-519b-11eb-b59f-01aa75ed71a1

[2] COM(2021) 615 final, S. 9.

[3] Erfahrungen und Wahrnehmungen von Antisemitismus — Zweite Erhebung zu Diskriminierung und Hasskriminalität gegen Juden in der EU (europa.eu): https://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-2018-experiences-and-perceptions-of-antisemitism-survey_en.pdf

[4]  COM(2020) 609 final.

[5]  https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A52020DC0758&qid=1637663840411