Die direkte Einflußnahme der Frau Präsidentin der Europäischen Kommission auf die kroatischen Wahlen in Form eines Wahlwerbespots für die Regierungspartei HDZ des Premierministers Andrej Plenković wirft die Frage auf, ob die Kommission sich nicht noch weiterer Mittel bedient hat, um Herrn Plenković die Wiederwahl zu ermöglichen.
Herr Plenković hat öffentlich erklärt, dass sein Favorit Manfred Weber gewesen sei, nicht Ursula von der Leyen [1] . Ende Juni 2019, als Manfred Weber bereits aus dem Rennen ausgeschieden war, galt Andrej Plenković zudem selbst noch als Kandidat [2] . Möglich ist also, dass Herrn Plenković eine Gegenleistung dafür versprochen worden ist, dass er eigene Ambitionen zugunsten der jetzigen Kommissionspräsidentin aufgibt. Die Kommission möge diese Zweifel ausräumen und sei daher gebeten, die folgende Frage zu beantworten:
Gibt es Abreden zwischen der Kommissionspräsidentin oder Personen aus ihrem Umfeld, wonach Herr Plenković Frau von der Leyen in ihrem Streben nach dem Amt unterstützt, indem er seine eigenen Pläne für eine Kandidatur und/oder die Unterstützung für Herrn Weber aufgibt, und dafür im Gegenzug die Kommission Schützenhilfe für die Wiederwahl von Herrn Plenković ins Amt des kroatischen Premierministers leistet?
[1] https://www.total-croatia-news.com/politics/39141-european-commission, abgerufen am 17. Juli 2020
[2] https://www.dw.com/en/weber-wont-be-next-european-commission-president-report/a-49408003, abgerufen am 17. Juli 2020
Gemeinsame Antwort von Präsidentin von der Leyen im Namen der Europäischen Kommission
5.11.2020
In Artikel 9 Absatz 1 des Verhaltenskodex für die Mitglieder der Europäischen Kommission[1] wird klargestellt, dass die Mitglieder der Kommission als Mitglieder nationaler Parteien an der nationalen Politik und an nationalen Wahlkämpfen mitwirken dürfen, solange dies nicht zulasten ihrer Verfügbarkeit im Dienste der Kommission geht und den Amtspflichten als Kommissionsmitglied Vorrang gegenüber der parteipolitischen Tätigkeit eingeräumt wird.
Nach Artikel 9 Absatz 2 Satz 2 des Kodex müssen die Mitglieder vorläufig ihr Amt bei der Kommission ruhen lassen, wenn sie sich als Kandidat zur Wahl stellen oder eine ähnlich aktive Rolle in der Wahlkampagne übernehmen. Ansonsten, d. h. bei anderen Formen der Teilnahme, z. B. gelegentlichen Äußerungen während einer Wahlkampagne, können sie ihre Aufgaben weiterhin wahrnehmen.
Nach Artikel 9 Absatz 3 des Kodex gilt die Verpflichtung, sich jeglicher öffentlicher Äußerung und jeglichen Auftritts im Namen einer politischen Partei zu enthalten, unabhängig von der Form der Teilnahme nicht, wenn die Mitglieder an einer Wahlkampagne mitwirken.
Deshalb steht die Mitwirkung von Präsidentin von der Leyen und Vizepräsidentin Šuica an einem Wahlkampfspot im Einklang mit dem Kodex. Die Kommission sieht keine Notwendigkeit, den unabhängigen Ethikausschuss in dieser Angelegenheit zu konsultieren oder die im Kodex festgelegte Rolle des Ausschusses zu überprüfen. Die Kommission sieht auch keinen Zusammenhang zwischen diesem kurzen Auftreten in einem kurzen Wahlkampfspot und der Wahl der Präsidentin im Jahr 2019 gemäß Artikel 17 Absatz 7 des Vertrags über die Europäische Union oder der Arbeit am EU-Aufbauplan.
Im Hinblick auf die Teilnahme an Wahlen ist es wichtig, zwischen den institutionellen Tätigkeiten als Mitglieder der Kommission, die keine bestimmte politische Partei unterstützen dürfen, und den Tätigkeiten als Politiker im Rahmen von Wahlkampagnen zu unterscheiden[2].
Präsidentin von der Leyen und Vizepräsidentin Šuica wirkten an dem besagten Video nicht in ihrer Eigenschaft als Mitglieder der Kommission, sondern als Politikerinnen, die einer bestimmten politischen Partei angehören, im Rahmen einer demokratischen Kampagne mit. Die Kommission hat bereits öffentlich klargestellt, dass diese Unterscheidung stärker hätte verdeutlicht werden können, wenngleich das Video als solches leicht als Wahlkampfspot einer politischen Partei erkennbar war und eine Reihe europäischer Politiker zeigte, die derselben europäischen politischen Partei angehören. Die Kommission hat ferner klargestellt, dass das Video der Präsidentin in einer Reihe weiterer Aufnahmen aufgezeichnet wurde, dass es nur einige Sekunden dauerte und dem Organ keine zusätzlichen Kosten verursachte.
[1] ABl. C 65 vom 21.2.2018, S. 7.
[2] Siehe z. B. die <QT.START>„</QT.START>Guidelines on Ethical Standards for the Participation of the Members of the European Commission in the Election Campaign<QT.END>“</QT.END> (Leitlinien zu ethischen Standards für die Beteiligung der Mitglieder der Europäischen Kommission am Wahlkampf), https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/guidelines_election_campaign_en.pdf