Wiederaufbauplan Next Generation EU und die Wahl von Kommissionspräsidentin von der Leyen

Aug 10, 2020 | Parlamentarische Anfragen

Die direkte Einflußnahme der Frau Präsidentin der Europäischen Kommission auf die kroatischen Wahlen in Form eines Wahlwerbespots für die Regierungspartei HDZ des Premierministers Andrej Plenković wirft die Frage auf, ob die Kommission nicht noch weitere Mittel benutzt hat, um Herrn Plenković die Wiederwahl zu ermöglichen.

Der von Frau von der Leyen am 27. Mai präsentierte Wiederaufbauplan Next Generation EU im Umfang von 750 Milliarden Euro weist einen bemerkenswert hohen Anteil der für Kroatien vorgesehenen Mittel auf. Tatsächlich ist nach den Plänen der Kommission vorgesehen, dass Kroatien netto rund 22,4 Prozent des BIP erhalten soll, was einer Summe von mehr als 12 Milliarden Euro entspricht (SWD(2020) 98 final). Auch im Vergleich zu anderen, ähnlich durch die Covid-Krise belasteten Mitgliedstaaten ist dies ein signifikanter Ausreißer nach oben und durch Vergleich der Fundamentaldaten nur schwer zu erklären. Herr Plenković hat diese Zahlen bereits ab dem 28. Mai 2020 zum eigenen Nutzen für seine Pressearbeit benutzt [1] .

Kann die Kommission die Bedenken ausräumen, dass Kroatien vor allem deshalb so sehr von den Plänen der Kommission profitiert, weil damit ein Effekt für die Partei von Herrn Plenković (HDZ, Mitglied der europäischen christdemokratischen Parteienfamilie wie die CDU von Frau von der Leyen) bei den Parlamentswahlen vom 5. Juli 2020 erzielt werden sollte?

[1] https://www.croatiaweek.com/pm-in-next-7-years-croatia-will-receive-from-eu-twice-as-much-funds-as-until-now/, abgerufen am 17. Juli 2020

Gemeinsame Antwort von Präsidentin von der Leyen im Namen der Europäischen Kommission

5.11.2020

In Artikel 9 Absatz 1 des Verhaltenskodex für die Mitglieder der Europäischen Kommission[1] wird klargestellt, dass die Mitglieder der Kommission als Mitglieder nationaler Parteien an der nationalen Politik und an nationalen Wahlkämpfen mitwirken dürfen, solange dies nicht zulasten ihrer Verfügbarkeit im Dienste der Kommission geht und den Amtspflichten als Kommissionsmitglied Vorrang gegenüber der parteipolitischen Tätigkeit eingeräumt wird.

Nach Artikel 9 Absatz 2 Satz 2 des Kodex müssen die Mitglieder vorläufig ihr Amt bei der Kommission ruhen lassen, wenn sie sich als Kandidat zur Wahl stellen oder eine ähnlich aktive Rolle in der Wahlkampagne übernehmen. Ansonsten, d. h. bei anderen Formen der Teilnahme, z. B. gelegentlichen Äußerungen während einer Wahlkampagne, können sie ihre Aufgaben weiterhin wahrnehmen.

Nach Artikel 9 Absatz 3 des Kodex gilt die Verpflichtung, sich jeglicher öffentlicher Äußerung und jeglichen Auftritts im Namen einer politischen Partei zu enthalten, unabhängig von der Form der Teilnahme nicht, wenn die Mitglieder an einer Wahlkampagne mitwirken.

Deshalb steht die Mitwirkung von Präsidentin von der Leyen und Vizepräsidentin Šuica an einem Wahlkampfspot im Einklang mit dem Kodex. Die Kommission sieht keine Notwendigkeit, den unabhängigen Ethikausschuss in dieser Angelegenheit zu konsultieren oder die im Kodex festgelegte Rolle des Ausschusses zu überprüfen. Die Kommission sieht auch keinen Zusammenhang zwischen diesem kurzen Auftreten in einem kurzen Wahlkampfspot und der Wahl der Präsidentin im Jahr 2019 gemäß Artikel 17 Absatz 7 des Vertrags über die Europäische Union oder der Arbeit am EU-Aufbauplan.

Im Hinblick auf die Teilnahme an Wahlen ist es wichtig, zwischen den institutionellen Tätigkeiten als Mitglieder der Kommission, die keine bestimmte politische Partei unterstützen dürfen, und den Tätigkeiten als Politiker im Rahmen von Wahlkampagnen zu unterscheiden[2].

Präsidentin von der Leyen und Vizepräsidentin Šuica wirkten an dem besagten Video nicht in ihrer Eigenschaft als Mitglieder der Kommission, sondern als Politikerinnen, die einer bestimmten politischen Partei angehören, im Rahmen einer demokratischen Kampagne mit. Die Kommission hat bereits öffentlich klargestellt, dass diese Unterscheidung stärker hätte verdeutlicht werden können, wenngleich das Video als solches leicht als Wahlkampfspot einer politischen Partei erkennbar war und eine Reihe europäischer Politiker zeigte, die derselben europäischen politischen Partei angehören. Die Kommission hat ferner klargestellt, dass das Video der Präsidentin in einer Reihe weiterer Aufnahmen aufgezeichnet wurde, dass es nur einige Sekunden dauerte und dem Organ keine zusätzlichen Kosten verursachte.

[1] ABl. C 65 vom 21.2.2018, S. 7.

[2] Siehe z. B. die <QT.START></QT.START>Guidelines on Ethical Standards for the Participation of the Members of the European Commission in the Election Campaign<QT.END></QT.END> (Leitlinien zu ethischen Standards für die Beteiligung der Mitglieder der Europäischen Kommission am Wahlkampf), https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/guidelines_election_campaign_en.pdf