„Anwerbung qualifizierter Arbeitskräfte aus Drittländern“ – insbesondere die Fachkräftepartnerschaften mit Ländern Nordafrikas

Jun 23, 2022 | Parlamentarische Anfragen

Der Vorschlag der Kommission „Anwerbung qualifizierter Arbeitskräfte aus Drittländern“ zielt darauf ab, das Problem der alternden Bevölkerung in Europa, den Arbeitskräftemangel und die illegale Einwanderung anzugehen, indem „legale Wege“ für Migranten aus dem Nahen Osten und Nordafrika (MENA-Region) geschaffen werden. Es gibt weitverbreitete Bedenken unter den EU-Bürgern, dass dieser Vorschlag Millionen von Migranten aus den betroffenen Ländern in die EU bringen würde, was zu weiteren Problemen führen wird.

1.Sollte die Kommission, da die Jugendarbeitslosigkeit in der EU nach wie vor hoch ist (Griechenland 31,1 %, Spanien 29,8 %, Italien 24,2 %), stattdessen nicht besser Zeit und Ressourcen investieren, um Millionen junger europäischer Bürgerinnen und Bürger, die keinen Zugang zum Arbeitsmarkt haben, Chancen zu bieten?

2.Warum muss die Kommission qualifizierte Arbeitskräfte aus der MENA-Region anwerben, wo das Bildungsniveau im Vergleich zu vielen anderen Industrieländern unterdurchschnittlich ist? Die EU ist bereits ein attraktives Ziel für Migranten: Jedes Jahr kommen etwa 2,25 bis 3 Millionen Drittstaatsangehörige auf legalem Wege in die EU.

3.Teilt die Kommission angesichts der Fakten und Statistiken die Auffassung, dass Migranten aus der MENA-Region in der Regel die größten Probleme in Bezug auf Arbeitslosigkeit, Sozialleistungen und unverhältnismäßige Kriminalstatistiken in der EU verursachen?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission

8.9.2022

Die Beschäftigung junger Menschen ist eine Priorität der Kommission. Zusammen mit weiteren Maßnahmen zur Förderung der Beschäftigungsfähigkeit junger Menschen[1] schlug die Kommission im Jahr 2020 eine verstärkte Jugendgarantie[2] vor, um den Berufseinstieg von Schulabgängern zu fördern, benachteiligte Jugendliche verstärkt einzubeziehen und ihnen mehr Hilfe anzubieten; ferner sind in der Jugendgarantie Weiterqualifizierungs‐ und Umschulungsmaßnahmen sowie Unterstützung nach der Vermittlung und integrierte Dienste vorgesehen, die im Rahmen der Aufbau‐ und Resilienzfazilität[3] und des Europäischen Sozialfonds Plus[4] finanziell unterstützt werden.

Gleichzeitig besteht in der EU im Zusammenhang mit demografischen Trends und spezifischen Engpässen ein wachsender Arbeitsmarktbedarf[5], weshalb legale Migrationswege nach Europa wichtig sind. Vor diesem Hintergrund schlägt die Kommission vor, Fachkräftepartnerschaften ins Leben zu rufen, um die internationale Mobilität von Arbeitskräften und die Talentförderung auf eine für beide Seiten vorteilhafte und zirkuläre Weise anzukurbeln.

Ägypten, Marokko und Tunesien wurden aufgrund ihrer engen und kontinuierlichen Zusammenarbeit in allen Aspekten der Migrationssteuerung, einschließlich bei der irregulären Migration, als vorrangige Länder eingestuft. Es sei darauf hingewiesen, dass die Initiativen der Kommission das Recht der Mitgliedstaaten, festzulegen, wie viele Drittstaatsangehörige aus Drittländern in ihr Hoheitsgebiet einreisen dürfen, um dort Arbeit zu suchen, unberührt lassen.

[1] Mitteilung der Kommission „Förderung der Jugendbeschäftigung: eine Brücke ins Arbeitsleben für die nächste Generation“ (COM(2020) 276 final).

[2] Empfehlung des Rates vom 30. Oktober 2020 zum Thema „Eine Brücke ins Arbeitsleben — Stärkung der Jugendgarantie“ und zur Ersetzung der Empfehlung des Rates vom 22. April 2013 zur Einführung einer Jugendgarantie 2020/C 372/01.

[3] Verordnung (EU) 2021/241 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Februar 2021 zur Einrichtung der Aufbau‐ und Resilienzfazilität. Insbesondere die in Artikel 3 definierte sechste Säule umfasst „Maßnahmen für die nächste Generation, Kinder und Jugendliche, wie zum Beispiel Bildung und Kompetenzen“.

[4] Verordnung (EU) 2021/1057 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Juni 2021 zur Einrichtung des Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+) und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 1296/2013. Insbesondere Artikel 11 „Unterstützung der Beschäftigung junger Menschen“.

[5] Umfragedaten aus dem Jahr 2019 zeigen, dass 77 % der europäischen Unternehmen Schwierigkeiten hatten, Bewerberinnen und Bewerber mit den richtigen Kompetenzen zu finden [Quelle: Eurofound, Europäische Unternehmenserhebung 2019]. Arbeitgeber in der EU waren 2020 in 28 Berufen, in denen 14 % der Arbeitskräfte in der EU beschäftigt waren, mit einem Arbeitskräftemangel konfrontiert [Quelle: Europäische Arbeitsbehörde 2021, Arbeitskräftemangel und Arbeitskräfteüberschuss]. Rund 3,8 % (9,9 Millionen Menschen) der EU-Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter waren am 1. Januar 2020 mobil, was nicht ausreicht, um dem Arbeitskräftemangel auf dem EU-Markt zu begegnen [Quelle: Europäische Kommission, Jahresbericht 2021 zur Arbeitskräftemobilität innerhalb der EU]. Zudem dürfte der Anteil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter in der EU von 64,6 % im Jahr 2019 auf 54,8 % im Jahr 2100 zurückgehen [Quelle: Eurostat, Projected population by broad age group (Prognostizierte Bevölkerung nach breit angelegten Altersgruppen), EU-27].